Wo einst US-Militärangehörige wohnten und zeitweise ein Erstaufnahmelager des Landes Hessen betrieben wurde, stehen die Gebäude seit geraumer Zeit leer und das für die Öffentlichkeit gesperrte Gelände ist verwaist. Doch die Tage dieses trostlosen Anblicks sind gezählt: Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat das Bundesministerium der Finanzen entschieden, auf diesem Teil der Sportsfield Housing Area einen Aus- und Fortbildungsstandort der Zollverwaltung einzurichten. „In naher Zukunft werden hier rund 300 junge Menschen lernen, arbeiten und wohnen“, freut sich Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky, nachdem ihm der Bundestagesabgeordnete Dr. Sascha Raabe unmittelbar nach Bekanntwerden die gute Nachricht aus Berlin persönlich übermittelt hatte.
Vorangegangen war der Neuansiedlung in der Brüder-Grimm-Stadt ein umfangreiches Erkundungsverfahren des Ministeriums, mit dem Ziel, Ausbildungsstätten zu finden, die räumlich nah an den fortzubildenden Beschäftigten liegen und die Ansprüche an ein modernes Ausbildungswesen erfüllen. Unter Berücksichtigung aller monetären und nicht monetären Aspekte hat sich das Gelände, auf dem von 2015 bis 2016 ein Erstaufnahmelager des Landes Hessen untergebracht war, als die bedarfsgerechteste und wirtschaftlichste Variante herausgestellt.
„Wir werden das zum Anlass nehmen und unser Erstzugriffsrecht für die Teilfläche ausüben, die derzeit als kommunale Flüchtlingsunterkunft genutzt wird“, macht der OB deutlich, dass er in der Entscheidung des Finanzministeriums eine Bestätigung für die Hanauer Pläne sieht, die Häuser auf Sportsfield dauerhaft als bezahlbaren Wohnraum erhalten zu können.
Auf dem Gelände der ehemaligen Sportsfield Housing Area im Hanauer Stadtteil Wolfgang stehen 22 guterhaltene Wohnblocks mit rund 400 Wohneinheiten, die jahrzehntelang als Unterkünfte für US-Soldaten und ihre Familien dienten. Seit dem Abzug des US-Militärs kämpft die Stadt darum, diese zu erhalten, um das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in Hanau deutlich zu erhöhen. Doch dem stehen rechtliche Hindernisse entgegen, die mit der Nähe zum Industriebetrieb Goodyear Dunlop GmbH zu tun haben. Die Ausweisung eines Wohngebietes ist hier nach geltendem Baurechte derzeit nicht möglich, da es Lärm- und Geruchsimmissionen seitens des angrenzenden Betriebs geben könnte, die die zulässigen Werte überschreiten. Die Stadt setzt sich seither unter anderem für eine Experimentierklausel ein, die mehr Spielraum im Einzelfall und den Kommunen mehr Freiheiten im Genehmigungsverfahren verschaffen könnte.
Dabei hatte das Bundesumweltministerium inzwischen sogar den Standpunkt vertreten, dass die immissionsschutzrechtlichen Konflikte im Plangebiet auch auf der geltenden Rechtsgrundlage zu lösen sind. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen allerdings widerspricht dieser Interpretation und hält an der Haltung fest, wonach die Belastungen „außerhalb des bauplanungsrechtlichen Abwägungsspielraumes“ liegen. Zuletzt hatte das Bundesumweltministerium vor wenigen Tagen in einem Schreiben erklärt, dass man sich dort „weiterhin für eine umfassende Experimentierklausel bezüglich immissionsschutzrechtlicher und bauplanerischer Konfliktlösungsmöglichkeiten einsetzen“ wird.
Die jüngste Entscheidung zugunsten eines Aus- und Fortbildungsstandorts für die Zollverwaltung wertet der Hanauer OB deshalb auch als Rückenwind für die Bemühungen der Stadt. „Das ist ein mutmachendes Signal, das genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.“ Die Stadt wird nach seinen Worten jetzt umgehend wieder in die Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) eintreten, um das Erstzugriffsrecht für das Gelände auszuüben. Die Gespräche darüber waren ins Stocken geraten, nachdem der Bund erklärt hatte, dass hier das Areal Eigenbedarf geprüft werde. „Jetzt ist dieser Vorbehalt aufgehoben und wir können den Dialog zügig wieder aufnehmen.“
Kaminsky macht einmal mehr deutlich, dass es für ihn „völlig aus der Zeit gefallen ist, guterhaltene Wohnungen abzureißen, wenn gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum dringend benötigt wird“. Ein solches Vorgehen wäre nach seinen Worten den Menschen nach dieser Entscheidung überhaupt nicht mehr vermittelbar und würde die städtischen Anstrengungen konterkarieren. „Wo immer wir es in der Hand haben, sorgen wir dafür, dass bezahlbarer Wohnraum erhalten oder geschaffen wird“, erinnert er daran, dass schon bei der Entwicklung des Triangle Housing im Pioneer Park rund 20 Prozent der entstehenden Wohneinheiten unter der Maxime ‚bezahlbares Wohnen im Eigentum‘ zu verbilligten Konditionen angeboten wurden. „Diese 20 Prozent Quote für bezahlbaren Wohnraum soll künftig bei allen großen Neubauprojekten die Messlatte sein“, kündigt er das Vorhaben an, die Erteilung von Planungsrecht in Zukunft an einen entsprechenden Anteil an bezahlbarem Wohnraum zu knüpfen.