Diplom-Verwaltungswirt Martin Bieberle, Jahrgang 1964, ist Leiter der Fachbereiche „Personal, Organisation, Kommunikation“ und „Planen, Bauen und Umwelt“ bei der Stadt Hanau. Zudem ist er Geschäftsführer der Hanau Marketing GmbH (HMG) und Geschäftsführer der BAUprojekt Hanau GmbH. Als Projektleiter begleitete er das – inzwischen erfolgreich abgeschlossene – wettbewerbliche Dialogverfahren zum Umbau der Hanauer Innenstadt. Als Konversionsbeauftragter der Stadt Hanau ist er zudem zuständig für die zügige und nachhaltige Entwicklung von 340 Hektar ehemals militärisch genutzter Flächen, die durch den Abzug der US-Armee Ende 2008 frei für neue Nutzungsmöglichkeiten wurden. Seit April 2017 ist Martin Bieberle gemeinsam mit Dr. Marc Weinstock gleichberechtigter Geschäftsführer der LEG Hessen-Hanau GmbH, die den Pioneer Park entwickelt.
Was ist mit dem Begriff der „Konversion“ gemeint?
Der Begriff „Konversion“ beschreibt in der Stadtplanung die Wiedereingliederung von brach liegenden Flächen und Gebäuden in den Wirtschafts- und Naturkreislauf. In Hanau bezieht sich der Begriff auf die Konversion von 340 Hektar Flächen im Stadtgebiet, die einst von der US-Armee genutzt wurde, bevor diese im Jahr 2008 ihren Garnisonsstützpunkt in Hanau nach mehr als 60 Jahren aufgab und komplett abzog.
Welche Chancen haben sich für Hanau durch den Prozess der Konversion geboten?
Die Konversion von 340 Hektar ehemaliger US-Militärliegenschaften hat der Stadt Hanau in den vergangenen zehn Jahren einen großen Entwicklungsschub beschert. Es entstanden mehr als 1000 Wohneinheiten, 1500 weitere sind auf der ehemaligen Pioneer-Kaserne im Stadtteil Wolfgang geplant. Durch die Neu-Ansiedlung von Unternehmen, Dienstleistern, Schulen und einer Kita wurden rund 1300 Arbeitsplätze geschaffen. Zudem entstanden ein neues Gefahrenabwehrzentrum sowie ein Naturreservat für Przewalski-Urwildpferde. Inzwischen sind rund 250 Hektar Konversionsflächen einer neuen Nutzung zugeführt worden. Einige wenige Flächen stehen jedoch noch für Wohn- oder Gewerbeansiedlungen zur Verfügung.
Was waren die größten Projekte?
Der Pioneer Park Hanau mit seinen 47 Hektar Fläche wird mit Sicherheit das größte Konversionsprojekt der Stadt werden – das Meisterstück sozusagen! Doch auch die bisherige Konversionsentwicklung in Hanau kann sich sehen lassen: So haben wir beispielsweise die 36 Hektar große New-Argonner-Kaserne in ein hochwertiges Wohnquartier namens Argonnerpark mit 390 Wohneinheiten verwandelt. Zudem entstand dort das Dienstleistungs- und Nahversorgungszentrum Argonnermarkt und es wurde eine Privatschule angesiedelt. Im Südwesten entstand jüngst das Wohngebiet „In den Argonnerwiesen“ mit 155 Wohneinheiten, einer Kindertagestätte und einem Schulsportplatz. Auf der ehemaligen Hutier-Kaserne mit ihren knapp 28 Hektar Flächen befinden sich heute das Büro- und Dienstleistungszentrum „Lamboy-Höfe“, das neue Gewerbegebiet „Am Lamboywald“ sowie das neue Gefahrenabwehrzentrum der Stadt mit Feuerwehr, Rotem Kreuz, Johannitern und DLRG. Der ehemalige Truppenübungsplatz Campo Pond ist heute ein weitläufiges Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, mit seltenen Tier- und Pflanzenarten, auf dem zudem die Przewalski-Wildpferde grasen.
Wo liegen die Herausforderungen bei der Konversion eines alten Kasernengeländes?
Davon gibt es viele: Zum einen muss man aufbauend auf vorgefundenen Gegebenheiten Neues entwickeln. Das ist fachlich und ökonomisch anspruchsvoll, denn man stößt auf eine über viele Jahrzehnte gewachsene städtebauliche Konfiguration, in die nun moderne Planung und Ansprüche integriert werden müssen. Dabei gilt es bestimmte Themen zu bearbeiten: Feststellung und Sanierung von Altlasten beispielsweise, eine sorgfältige Überprüfung der bestehenden Infrastruktur inklusive Gebäudebestand, um die Eignung zur Nachnutzung zu prüfen. Dabei dürfen Vorgaben von Umweltschutz, Denkmalschutz und Lärmschutz sowie die umgebende Infrastruktur nicht aus den Augen verloren werden.
Wenn all das geklärt ist folgt im Idealfall die Entwicklung des Geländes. Hier muss entweder – durch eine Ausschreibung, die klar die Entwicklungsziele der Stadt definiert – ein verlässlicher und finanzstarker Partner gefunden werden, oder die Stadt nutzt ihr Erstzugriffsrecht und bringt selbst die finanziellen Mittel auf, um das Areal nach ihren Vorstellungen zu entwickeln. Im Fall der Pioneer-Kaserne haben wir uns auf eine Zwischenform geeinigt und sind – gemeinsam mit einem privaten Investor – Co-Entwickler und Co-Besitzer geworden. So konnten wir uns den größtmöglichen Einfluss sichern, ohne das gesamte finanzielle Risiko zu tragen.
Wie stellen Sie sich den Pioneer Park in 10 Jahren vor?
Ich sehe dort das Stadtquartier der Zukunft, die Stadt von übermorgen: Wir schaffen hier mit städtebaulichem Pioniergeist ein klimafreundliches und nachhaltiges Wohngebiet mit außergewöhnlichen Qualitäten, das die Vorteile von historisch Gewachsenem, moderner Architektur und innovativen energetischen Konzepten verbindet. Im Vordergrund steht dabei die Vielfalt: eine breite soziale Mischung und Wohnraum für jede Einkommensklasse, Lebensphase und Herkunft, ob zur Miete oder zum Kauf. Eine ganz große Rolle spielt im zukünftigen Pioneer Park natürlich auch die überragende Lebensqualität, die auf Grund der umgebenden Wälder und dem natürlichen Baumbestand, der gut erreichbaren Nahversorgung und der guten Verkehrsanbindung, der reizvollen architektonischen Vielfalt und der Freizeit- und Gastronomieangebote im Umfeld sehr hoch sein wird.